Verkostungsprotokoll 28.4.95:
Piemont gegen Rhone 86/88/89/90
Prunotto Barbaresco Montestefano
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Beaucastel Chateauneuf du Pape


Der Vorschlag, eine Verkostung Piemont "gegen" Rhonetal durchzuführen, stieß vorweg auf gewisse Skepsis. Der "Sieger" schien allzuklar: Die Rhoneweine mit ihrer Opulenz ließen erwarten, daß die eher im feinen Stil gehaltenen "neuen" Piemonteser keine echte "Chance" haben. Das Ergebnis war demnach eher überraschend - soviel diskutiert wurde bei einer Verkostung schon lange nicht mehr.

Prunotto 86:

Helles Ziegelrot, leicht süßliches Bouquet (neu aus der Flasche etwas stechend), dünnes Holz, leichte Frucht, etwas bitter. 84 Punkte

Beaucastel 86:

Dunkles, beinahe schwarzes Rot, reintönig, gemüsiges Bouquet, mittlerer Körper, beeriger Geschmack, Abgang eher kurz, Nachgeschmack lang anhaltend und fruchtig. 93 Punkte

86 ist ein klares Rennen für den Beaucastel. Ein schöner Wein im Reifestadium, sehr gut trinkbar, noch lange haltbar.


Prunotto 88:

Helles Ziegelrot, feines Holzbouquet, etwas modriger Geschmack, wenig Abgang. 82 Punkte

Beaucastel 88:

Mittleres Rot, süßliches Gemüse, mittlerer Körper, mittlerer Abgang, wenig Frucht. 82 Punkte

88 ist im negativen Sinn unentschieden: Beide Weine sind schwach und interessanterweise kaum zu unterscheiden.


Prunotto 89:

Mittleres Rot, feines Holz im Bouquet, mittlerer Körper, strenger Abgang, Bittermandelgeschmack. 91 Punkte

Beaucastel 89:

Rubinfarbe, feines Gemüse im Bouquet, massiv geile Frucht, massiver Körper im Geschmack, hinterhältiges Tannin im Abgang. 94 Punkte

89 scheiden sich die Geister: Der Montestefano wird als angenehm zu trinkender Wein empfunden, während der Beaucastel stark in die Hermitagerichtung neigt und mit seiner wilden Gemüse/Fruchtkonzentration irritiert und im Vergleich überladen scheint.


Prunotto 90:

Dunkles Granat, feine Frucht im Bouquet, samtiges Tannin, etwas bitter im Geschmack, Säure kombiniert mit Bitterton im Abgang. 92 Punkte

Beaucastel 90:

Schwarzes Rubin, feines Gemüse, feine Frucht, leichte Säure, langer Abgang, lehr langer Nachgeschmack. 94 Punkte

90 neigt sich die Waagschale eher dem Piemontwein zu, der gegenüber 89 noch stärker scheint, während sich der Rhonewein etwas milder gibt. In der "objektiven" Punktebewertung liegt der Beaucastel trotzdem voran, da intensivere Farbe und ausdrucksvolleres Bouquet jeweils einen zusätzlichen Punkt wert sind, ansonsten sind die Weine bei aller Verschiedenheit als eher gleichwertig zu betrachten. Der Prunotto wird jedoch fast einhellig als angenehmer zu trinken erachtet.


Essen:

Da die Weine keine klare Orientierung boten, wurde auf eher einfache italienische Küche zugrückgegriffen: Gemüsedipp als Vorspeise, Nudeln mit einfachem Tomaten/Knoblauch-Sugo als Zwischengericht, Filets vom Rindslungenbraten auf Ruccula mit Parmesan als Hauptgericht und feiner Käse zur Nachspeise.

Fazit:

Die Erwartung, daß sich die Rhoneweine gegen die Piemontweine voll durchsetzen, ist in keinster Weise erfüllt worden. Sie haben sich im Gegenteil erstaunlich gut halten können und wurden in Verbindung mit der Küche als angenehmer zu trinken empfunden (eine andere Küche hätte möglicherweise ein anderes Bild ergeben). Beaucastel ist allerdings ein etwas atypischer Chateauneuf du Pape, da er eher in die Hermitage-Richtung neigt. Diese Weine brauchen etwas mehr Zeit, um zugänglich zu werden und ihr Übermaß an Gemüse und Frucht abzubauen. Beim 86er dürfte das bereits einigermassen der Fall sein. In einer "objektiven" Bewertung nach dem Schema von Parker sind die Weine von Beaucastel allerdings klar vorne: Farbe, Bouquet, Frucht, Körper - all das schlägt sich in Punkten zugunsten der Rhoneweine nieder. Die Binsenweisheit, daß große Weine Zeit zum Reifen brauchen und daß die Küche zum Wein passen muß (bzw. umgekehrt) wurde eindrucksvoll bestätigt. Eine äußerst interessante Verkostung.
Teilnehmer: Mag. Kurt Ertlbauer, Dr. Gert Keller, Dr. Wilfried Knapp, Dr. Burkhard Maier.